Reichwein: Stadt muss mehr tun für Jung und Alt

Sozialausschuss: Klingenberger wollen in Jugendarbeit und Seniorenprojekte investieren – bestehende Projekte im Landkreis sind Vorbild

Grillen am Abend im Jugendzentrum Erlenbach: So kann kommunale Jugendarbeit aussehen. Foto: Julia Preißer

Klingenberg. Die Stadt für Jugendliche und Senioren attraktiver machen: Das will der Klingenberger Ausschuss zur Förderung des sozialen Miteinanders. Welche Projekte in Zukunft auf der Agenda stehen könnten, darüber informierten Kreisjugendpfleger Helmut Platz und Nadja Schillikowski von der Seniorenfachstelle des Landkreises Miltenberg in der Ausschusssitzung am Dienstag.

Im Bereich kommunale Kinderarbeit sei man mit einem Hort und mehreren Kindergärten – darunter ein Waldkindergarten – gut aufgestellt, so Bürgermeister Ralf Reichwein. „Die Jugend ab 13 und unsere Senioren sind allerdings Punkte, die bei uns noch nicht so stark präsent sind.“ Zwar leisteten die Vereine in dieser Hinsicht gute Arbeit, doch die Stadt selbst habe bislang nicht genug dafür investiert. „Das muss sich ändern!“, so Reichwein.

Auch Kreisjugendpfleger Helmut Platz machte deutlich: „Jugendarbeit ist ganz klar eine Pflichtaufgabe! Nehmen Sie lieber an anderer Stelle Kürzungen vor aber sparen Sie nicht am Engagement für Jugendliche.“ Viele Gemeinden hätten zum Beispiel die Zuschüsse für die Jugendarbeit der Vereine und Verbände gekürzt, so Platz.

Doch es gäbe auch Positivbeispiele für offene Jugendarbeit im Landkreis, sagte er und nannte das größte Jugendhaus des Landkreises in Erlenbach und den Mömlinger Jugendtreff. Auch die Gemeinde Niedernberg habe einen großen Schritt getan, indem sie einen hauptamtlichen Gemeindepädagogen eingestellt habe. Dieser kümmere sich neben den Jugendlichen auch um die Belange der Senioren.

In Klingenberg lobte der Kreisjugendpfleger das Wika Sommer Camp, welches Stadt und Unternehmen in den Sommerferien gemeinsam anbieten. Kinder und Jugendliche können hier zusammen mit Betreuern basteln, spielen und Sport treiben. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die kommunale Jugendarbeit ein wichtiger Standortfaktor ist“, erklärte Platz. Angebote für Jugendliche seien Teil der sozialen Infrastruktur und könnten Familien anlocken.

Laut dem Kreisjugendpfleger benötige man neue Formen der Freiwilligenarbeit. „Viele Ehrenamtler ziehen sich nach dem Projektstart zurück. Wir brauchen dauerhaftes Engagement!“, forderte er. „Angebote scheitern oft an mangelnder Betreuung. Es bringt nichts, wenn ich einen geschlossenen Bolzplatz habe, der Schlüssel im Rathaus liegt und die Jugendlichen erst drankommen, wenn sie alt genug sind.“

Er mahnte, nicht darauf zu warten, dass Jugendliche sich selbst mit Vorschlägen einbrächten. „Die Jugend ist interessiert aber in der Bringschuld sind wir! Jugendliche müssen nicht beweisen, dass sie ernsthaft etwas wollen. Sie erwarten vom Bürgermeister, dass er loslegt.“ Trotzdem könne man Jugendliche an Projekten teilhaben lassen, wie etwa in Sulzbach, wo sie einen Skaterplatz mitgestaltet hatten.

Ausschussmitglied Horst Heuß (FW) sprach sich dafür aus, verstärkt Geld in die Jugendarbeit zu investieren. „Wir müssen Jugendliche so abfangen und stabilisieren, dass sie nicht in das Jugendhilfeprogramm rutschen. Denn das wird richtig teuer“, sagte er. Die Jugendsozialarbeit an der Mittelschule habe sich auch bewährt, obwohl sie „anfangs mit viel Bauchweh eingesetzt wurde“.

Wie man die Jugend mit der Seniorenhilfe verknüpfen kann, regte Landratsamts-Mitarbeiterin Nadja Schillikowski an. „In vielen Kommunen gibt es Patenschaften, bei denen Senioren Schüler bei den Hausaufgaben und schulischen Problemen unterstützen. In einem ähnlichen Konzept helfen Jugendliche alten Menschen am Computer.“

Es sei eine Herausforderung, die unterschiedlich rüstigen Senioren gleichermaßen zu bedienen. „Der 80-Jährige ist schwer einzuschätzen. Vom Bergsteiger bis zum Bettlägrigen ist alles dabei“, so Schillikowski. Durch die Nachbarschaftshilfe gäbe es in Dörfern und Kleinstädten wie Klingenberg eine gute Ausgangslage. Laut einer landkreisweiten Studie von 2010 wünschen sich die Klingenberger Senioren einen Treffpunkt – ähnlich dem Gute-Laune-Treff in Großheubach.

Schillikowski sieht auch alternative Wohnangebote als positiven Beitrag zur Seniorenarbeit. In Laudenbach ist hier ein Anfang gemacht. Das Hotel Zur Krone wird derzeit zum Wohnprojekt umgebaut. In Eschau und Wörth entstehen ambulant betreute Wohngemeinschaften. Senioren können hier ihren Alltag individueller gestalten, als in einem Wohnheim.

Auch Hol- und Bringdienste bei Veranstaltungen, Ansprechpartner für bürokratische Hilfen und vollständig barrierefreie öffentlichen Gebäuden sollten langfristiges Ziel sein. Horst Heuß regte an, dies bei der geplanten Dorferneuerung mit einzubeziehen.

Im Jahr 2030 werden in Klingenberg unter den knapp 6000 Einwohnern 2000 Senioren sein. Auch eine Fachstelle für pflegende Angehörige sei langfristig sinnvoll, so Schillikoswki. Schon jetzt seien 50 Prozent der Erwerbstätigen auf die eine oder andere Art in der Pflege gefordert.

Das langfristige Ziel von Bürgermeister Ralf Reichwein ist es, einen Seniorenbeirat zu gründen. Außerdem will Reichwein einen Jugendbeauftragten aus dem Stadtrat bekommen. Ein konkretes Projekt für Senioren startet im Sommer mit dem Bus- und Fahrkartentraining. Ob es bald im Rathaus einen Ansprechpartner für Bürgerschaftliches Engagement gibt, ist noch unklar.

Finanzielle Förderung der Jugendarbeit

Die örtliche finanzielle Förderung der Jugendarbeit ist seit etwa 15 Jahren ausschließlich Sache der Kommunen. Dies hatte der damalige Kreistag aufgrund der Forderung einiger Bürgermeister beschlossen. Sie wollten eine direkte Förderung, die als überschaubarer, planbarer und individueller gestaltbar galt. Von Seiten des Landkreises gibt es seitdem keine finanzielle Förderung der Jugendarbeit in einer kreisangehörigen Gemeinde. In der gängigen Praxis hat sich das Konzept in den seltensten Fällen bewährt. Viele Kommunen haben die Jugendarbeit aus Kostengründen stark eingeschränkt. Durch die Änderungen der Jugendförderung erhoffte man sich auch eine deutliche Senkung der Kreisumlagen, die die Kommunen an den Landkreis abführen müssen. Diese trat kaum ein.

Erschienen am 24. April 2015 im Main Echo 
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