Mit dem Smartphone Bäume pflanzen

Klimaschutzprojekt: In Mömlingen werden Waldspaziergänger zu »Klimahelden« - forschen, Daten sammeln und Klimaschäden melden

Mitmach-Spiel: Künftige »Klimahelden« können dem Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald Risiken und Chancen für den Wald melden. Foto: Julia Preißer

Mömlingen. Wer beim Spaziergang durch den Wald auf Menschen trifft, die mit ihrem Smartphone Bäume inspizieren, ist wahrscheinlich einem Klimahelden begegnet. Die Klimahelden liefern dem Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald Daten zum Klimawandel und leisten damit einen Beitrag zur statistischen Forschung. Klimaheld kann jeder werden, der sich auf der Website des Geo-Naturparks registriert und an den Umfragen teilnimmt. Per Smartphone schicken die Klimahelden etwa Fotos von vertrockneten Bäumen oder Bäumen mit Schädlingsbefall. Die App registriert den Standort des Handys und kann so bestimmen, welche Zonen besonders stark vom Klimawandel betroffen sind.

Klimahelden-Projektleiter Marcus Seuser und der Mömlinger Bürgermeister Siegfried Scholtka haben das Pilotprojekt am Dienstag im Mömlinger Königswald vorgestellt. Eine Einführung in das komplexe Thema Klimawandel gab Forstrat Sebastian Spatz vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Karlstadt. Besonders der Trockenstress mache dem Wald zu schaffen. "Es wird wärmer und es gibt weniger Niederschlag - vor allem dann, wenn wir ihn brauchen, nämlich im Winter", erklärte Spatz. Dadurch sei die Grundwasserneubildung in den Jahren 2016 bis 2020 im Vergleich zu den Referenzjahren 1971 bis 2000 um 24 Prozent gesunken.

Regentropfen verdunsten im Sommer oft in den belaubten Baumkronen. Im Winter, wenn die Bäume kahl sind, hat der Boden bessere Chancen, das Wasser aufzunehmen. Doch die Statistik zeigt: Die vergangenen Winter waren trocken. 11 Prozent weniger Niederschlag gab es seit 2016 in Unterfranken. Unter dem Trockenstress leiden nicht nur Nadelbäume wie die Fichte, sondern auch die heimische Buche. Wenn Sebastian Spatz auf der B 469 zwischen Obernburg und Wörth unterwegs ist und den Blick über den Hang schweifen lässt, sieht er viele dörre und abgestorbene Buchen. Das Ausmaß sei vergleichbar mit dem der meisten unterfränkischen Wälder. Dort wo wenig trockene Bäume zu finden sind, hat der Revierförster die betroffenen Bäume oft schon fällen lassen.

Nur aufmerksame Spaziergänger erkennen Klimaschäden im Wald. Es braucht ein geschultes Auge. Hier setzt das Projekt Klimahelden an. Die Helden sollen Blätter, Rinde und den Waldboden genau unter die Lupe nehmen. Erste Fotos zeigen den Schwammspinner - einen Schädling, der sich von Eichenblättern ernährt. Vermehrt sich die Population in heißen und trockenen Frühlingsmonaten, droht Kahlfraß. Neben bekannten Schädlingen wie Schwammspinner oder Borkenkäfer bringt der Klimawandel auch fremde Schädlinge nach Deutschland. Verschiedene Pilze führen zur Ahornrindenkrankheit, die auch für den Menschen gefährlich werden kann - etwa wenn dieser die Pilzsporen einatmet.

Förster wie Sebastian Spatz treibt nun die Frage um, wie man den Wald für den Klimawandel wappnen kann. Zum einen will Spatz klimabeständige Arten pflanzen. Zum anderen sollen junge Bäume dem Klimawandel entgegenwirken, indem sie CO2 speichern. "Unser Ziel sind stabile Mischbestände. Damit wollen wir das Risiko diversifizieren", so Spatz. Ein Hoffnungsträger sei die klimatolerante Eiche. Fremde Baumsorten wie die ostasiatische Paulownia, die nordafrikanische Atlaszeder oder den nordamerikanischen Tulpenbaum sieht Spatz kritisch. "Das kann man ausprobieren, aber den großen Wurf verspreche ich mir damit nicht." Vergangene Experimente zeigen: Die Importe sind oft anfälliger für Krankheiten.

Spatz will deshalb auf heimische Bäume wie die Elsbeere, die Birke oder die Kirsche setzen. Sie sind in unterfränkischen Wäldern bislang selten zu finden. Weil in den letzten Jahrzehnten die Waldwirtschaft im Vordergrund stand, setzte man auf schnell wachsende Nadelbäume, deren gerader Stamm gutes Arbeitsmaterial abgab. Der Klimawandel macht aber gerade den heimischen Nadelbäumen zu schaffen. Die Gemeinde Mömlingen will entgegensteuern. Die Waldwirtschaft soll vorerst in den Hintergrund treten. Deshalb hat der Gemeinderat beschlossen, den Hiebsatz zu reduzieren und mit klimabeständigen Bäumen aufzuforsten. Auch die Klimahelden können dem Mömlinger Wald helfen: Mit jeder Umfrage sammeln sie Punkte. Virtuelle Punkte wiederum bedeuten neue Bäume für den Mömlinger Wald.

Hintergrund: Klimahelden

Per Smartphone Klimaretter werden: Das wollen die Klimahelden - ein Projekt des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald. Interessenten können sich über die Website geo-naturpark.net als Klimaheld registrieren und an verschiedenen Umfragen und interaktiven Aktionen teilnehmen. Neben einer Umfrage zum Thema Klimastress im Wald, bei der die Teilnehmer Daten sammeln und weiterleiten, gibt es auch Aktionen zur grünen Mobilität. Die Projekte sind Teil des RURITAGE-Projekts der Europäischen Union zur Unterstützung von Natur und Kultur im ländlichen Raum.

Erschienen am 2. Juli 2021 im Main Echo 
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